Kinder weltweit

10 Krisen, bei denen wir in 2020 nicht wegsehen dürfen

Hier werfen wir einen Blick auf zehn der größten humanitären Krisen, von denen wir nur selten in den Nachrichten hören – doch in denen wir von UNICEF dank Ihrer Unterstützung auch in 2020 weiter für Kinder da sein werden.


von Sandra Bulling

Eines von vier Kindern wächst heute in einer Region auf, die von einem Konflikt oder einer Naturkatastrophe betroffen ist.

Seit dem Inkrafttreten der Kinderrechtskonvention vor mehr als 30 Jahren war die Zahl der Länder, die sich in einem Konflikt befinden, nicht mehr so hoch wie heute. Kriege und Konflikte haben weltweit mehr als 30 Millionen Kinder vertrieben. Das sind so viele wie die Einwohnerzahl unserer Nachbarländer Belgien und Niederlande zusammen. Zudem sind in Konfliktländern Naturkatastrophen oder Epidemien besonders tragisch.

Hier werfen wir einen Blick auf zehn der größten humanitären Krisen, von denen wir nur selten in den Nachrichten hören – doch in denen wir von UNICEF dank Ihrer Unterstützung auch in 2020 weiter für Kinder da sein werden.

Sahelzone (Burkina Faso, Mali und Niger) – Schulen im Kreuzfeuer

Unsicherheit, Terroranschläge und Gewalt in den drei Ländern Burkina Faso, Mali und Niger haben Hunderttausende Familien aus ihren Dörfern vertrieben. Über 721.000 Kinder unter fünf Jahren sind extrem mangelernährt. Viele von ihnen würden ohne nahrhafte Erdnusspaste, die sie von UNICEF erhalten, nicht überleben.

Burkina Faso: Per Radio bekommt Hussaini (14) Unterricht

Hussaini (14) neben seinem Radio. Über das Radio kommt der Schulunterricht zu ihm nach Hause.

© UNICEF/UN0329266/Bindra

In den letzten drei Jahren mussten aufgrund der Übergriffe sechsmal mehr Schulen schließen als je zuvor. "Ich liebte es, zur Schule zu gehen", sagt Hussaini, 14 Jahre alt, aus Dori in Burkina Faso. Doch sein Schulgebäude wurde durch die Kämpfe stark beschädigt. "Ich habe seit einem Jahr keine Schule mehr betreten." Über 600.000 Kinder in den drei Ländern sind betroffen. Doch dank eines neu entwickelten Radioprogramms von UNICEF und unseren Partnerorganisationen können sie zu Hause lesen und rechnen lernen. Auch Hussaini lernt seitdem wieder: "Meine ganze Familie hört zu und lernt mit".

Venezuela – die Hilfe ist unterfinanziert

Durch die wirtschaftliche und politische Krise sind heute sieben Millionen Venezolaner auf humanitäre Hilfe in Venezuela angewiesen. Viele verzweifelte Familien haben das Land verlassen. Darunter sind 1,9 Millionen Kinder, die dringende Hilfe benötigen. "Da der Strom bei uns ständig ausfällt, mussten unsere Lehrer den Unterricht verkürzen. Wir lernen jetzt nur noch von 13 bis 16 Uhr", berichtet Valeria aus Maracaibo.

Venezuela: UNICEF-Mitarbeiter und Helfer stellen einen Tank für Trinkwasser auf

UNICEF-Mitarbeiter und Helfer stellen in San Antonio in Venezuela einen Tank für Trinkwasser auf.

© UNICEF/UNI208139/Montico

UNICEF ist in sechs Ländern in Lateinamerika und der Karibik aktiv und sorgt dafür, dass Familien aus Venezuela medizinisch behandelt werden, sicheres Trinkwasser bekommen, auf psychosoziale Hilfe zugreifen können – und dass Kinder wieder lernen können.

Ukraine – Bildung unter Beschuss

Seit fünf Jahren tobt der Konflikt im Osten der Ukraine. Kinder geraten auf dem Weg zur Schule oder beim Spielen immer wieder ins Kreuzfeuer. Mehr als 430.000 Kinder wachsen mit dieser Gefahr und mit den direkten Auswirkungen auf ihre Gesundheit und ihre Seele auf. Kriegsschäden und -traumata sind somit Alltag in den umkämpften Gebieten.

Ukraine: Ein Mädchen steht in einem zerstörten Kindergarten

Masha (11) steht in einem zerstörten Klassenraum des Kindergartens in dem Ort, in dem sie wohnt.

© UNICEF/UN0243152/Morris VII Photo

Wenn geschossen wird, flieht die 17-jährige Dasha in den Keller. In dem dunklen, kalten und feuchten Raum sagt sie nachdenklich: "Wenn du hier sitzt, weißt du nicht, ob du jemals wieder rauskommst". UNICEF hilft mit Gesundheits-, Wasser- und Hygieneversorgung und leistet psychosoziale Unterstützung, damit Kinder die erlebte Gewalt verarbeiten können.

Flüchtlinge in Europa – allein auf der Flucht

In den ersten neun Monaten des Jahres 2019 sind rund 57.000 Flüchtlinge und Migranten in Europa angekommen, ein Drittel davon Kinder. Besonders Jungen und Mädchen, die ohne ihre Eltern fliehen mussten, sind in Gefahr, ausgebeutet zu werden und Gewalt zu erleben.

Viele von ihnen haben in ihrem Heimatland und auf der Flucht traumatische Erfahrungen gemacht, haben ihr Leben riskiert für eine bessere Zukunft in Europa. Wir von UNICEF helfen mit Bildungsangeboten, Kinderschutzprogrammen und verbessern die Situation für Kinder in den Aufnahmezentren.

Griechenland: Im Flüchtlingscamp Moria auf Lesbos spielen Jungen Ball

Im Flüchtlingscamp Moria auf Lesbos spielen Jungen Ball. Hier leben Tausende unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

© UNICEF/UN0274763/Haviv VII Photo

Afghanistan – wo die Gewalt volljährig wird

Seit über 18 Jahren beherrscht der Konflikt Afghanistan. Zusätzlich bedrohen noch Naturkatastrophen wie Dürre und Überschwemmungen das Land am Hindukusch. Mehr als neun Millionen Menschen sind auf Hilfslieferungen und Schutz angewiesen, die Hälfte der Bevölkerung lebt in Konfliktgebieten.

Ein Drittel aller Kinder im schulfähigen Alter können nicht zur Schule gehen, entweder weil sie zu arm sind oder weil der Schulweg zu weit und zu gefährlich ist. Deswegen bringt UNICEF den Unterricht zu ihnen ins Dorf: Gemeindeschulen ermöglichen das Lernen in Moscheen, Gemeindehäusern oder bei Lehrern zu Hause.

Afghanistan: Mädchen sitzen in einem Klassenraum

Kayenat (12, Mitte) aus Afghanistan freut sich, dass sie mit den anderen Mädchen zur Schule gehen kann.

© UNICEF/UN0309056/Kokic

Ebola – der zweitgrößte Ausbruch in der Geschichte

Bereits mehr als 3.000 Menschen haben sich in der Demokratischen Republik Kongo mit Ebola angesteckt, 2.000 von ihnen sind gestorben. Viele Kinder sind dadurch zu Waisen geworden und brauchen Hilfe, um den tragischen Verlust zu verarbeiten. UNICEF schult Gesundheitshelfer von Partnerorganisationen darin, wie sie sich mit Schutzkleidung und Vorsorgemaßnahmen schützen können und arbeitet mit den Gemeinden, um die Bevölkerung zu informieren.

In den Gesundheitszentren arbeiten Überlebende des Ebolavirus. So wie die 19-jährige Ruth Lafleussante, die sich mit viel Hingabe um die kleine Christ-Vie kümmert. Das sieben Monate alte Baby lächelt. Es versteht noch nicht, dass seine Mutter vor einigen Tagen an Ebola gestorben ist. Im UNICEF-Kinderzentrum in der Stadt Butembo bekommt es Hilfe.

>>> Mehr über den mutigen Einsatz der Ebola-Überlebenden im Kongo lesen Sie hier.

Kongo: Ebola-Überlebende Ruth kümmert sich um Baby Christ-Vie

Ruth hat Ebola überlebt und ist nun gegen das Virus immun. Liebevoll kümmert sie sich um die sieben Monate alte Christ-Vie, deren Mutter an Ebola gestorben ist.

© UNICEF/UN0311502/Tremeau

Auch die Nachbarländer des Kongo bereiten sich auf eine Ausbreitung des Virus über die Landesgrenzen hinweg vor – ein Risiko, welches die Weltgesundheitsorganisation WHO als sehr hoch einstuft.

Bangladesch – vertrieben in die Ungewissheit

Im Flüchtlingslager Cox’s Bazar leben fast eine Million Rohingya aus dem Nachbarland Myanmar. Es ist ein Flüchtlingslager so groß wie eine Stadt mit der Einwohnerzahl Kölns. Die Flüchtlingsfamilien mussten ihr Hab und Gut, ihre Heimat – und ihre Kindheit – zurücklassen.

Rohingya: Ein Junge steht auf einem Hügel in Kutupalong in Bangladesch, wo derzeit viele Rohingya Zuflucht suchen.

Die Zukunft für diesen Jungen und Tausende andere Rohingya-Kinder ist ungewiss: Wie lange werden sie noch in den provisorischen Camps leben müssen?

© UNICEF/UN0120411/Brown

UNICEF-Teams sind seit Beginn der Krise im August 2017 vor Ort und an der Seite der geflohenen Kinder. Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen versorgen wir die Kinder jeden Tag mit Wasser, Nahrung und medizinischer Hilfe. Doch die Unterstützung mit dem Nötigsten ist nur ein Teil der Hilfe. "Für die Rohingya-Kinder in Bangladesch geht es um mehr als ums Überleben", erklärt Henrietta Fore, UNICEF-Exekutivdirektorin. "Für ihre Zukunft ist es zwingend notwendig, dass sie eine gute Schul- und Berufsausbildung erhalten."

Jemen – die größte humanitäre Krise der Welt

Fünf Jahre Bürgerkrieg im Jemen haben dazu geführt, dass heute mehr als 24 Millionen Menschen auf Hilfslieferungen angewiesen sind. Fast 370.000 Kinder unter fünf Jahren sind schwer akut mangelernährt. Nur mit nahrhafter Erdnusspaste oder Spezialmilch können sie wieder zu Kräften kommen.

Jemen: Frühchen Hassan hält den Finger seiner Mutter

Baby Hassan kam im Jemen als Frühchen zur Welt. Nun wird er auf der von UNICEF unterstützen Neugeborenen-Intensivstation des Krankenhauses in Sana'a betreut.

© UNICEF/UNI224658/AlGhabri

Der Jemen ist einer der gefährlichsten Orte der Welt für Kinder: 2.000 Kinder sind seit Beginn des Konflikts ums Leben gekommen, 4.800 wurden verletzt und 2.700 Jungen wurden als Kindersoldaten rekrutiert. "Ich habe immer Angst, wenn ich die Schule verlasse, nach draußen gehe oder im Hof spiele", sagt Masha’el.

Nordkorea – abgeschnitten vom Rest der Welt

Dürren, Fluten, Taifune: Naturkatastrophen erschweren das von starker Armut geprägte Leben in Nordkorea. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung hat kein sicheres Trinkwasser zur Verfügung, über 2,7 Millionen Kinder benötigen Unterstützung.

UNICEF leistet als eine der wenigen Organisationen vor Ort Hilfe, mit Zusatznahrung für schwer mangelernährte Kinder und Impfungen. Außerdem behandeln wir Kinder medizinisch, die an Durchfall leiden und bringen sicheres Trinkwasser und Hygieneartikel zu den Familien.

Nordkorea: Mädchen waschen sich in einem Kindergarten die Hände

In diesem Kindergarten in Jongju-Stadt in Nordkorea gibt es dank der Unterstützung durch UNICEF jetzt sanitäre Anlagen und die Möglichkeit zum Händewaschen.

© UNICEF/UN0322818/Nazer

Syrien – neun Jahre Krieg

Nach knapp neun Jahren Krieg in Syrien sind elf Millionen Menschen – mehr als die Hälfte der Bevölkerung – auf humanitäre Hilfe angewiesen. In den Nachbarländern haben 5,6 Millionen Menschen Zuflucht gesucht, davon sind 2,5 Millionen Kinder. Viele von ihnen haben Brüder oder Schwestern, Väter oder Mütter verloren. Die meisten kennen kein anderes Leben als eines mit Gewalt, Flucht und Trauma.

In den kinderfreundlichen "Makani"-Zentren (Makani = "mein Ort"), beispielsweise in Jordanien, gibt UNICEF ihnen ein Stück Normalität zurück und schafft einen Raum, in dem sie die schrecklichen Erinnerungen hinter sich lassen können.

Jordanien: Kinder spielen mit Seifenblasen im Makani

Hala (6) spielt in einem Makani in Jordanien zusammen mit anderen Kindern mit Seifenblasen.

© UNICEF/UNI227263/AlHattab

Unsere Ziele für 2020

Die Übersicht zeigt: Wir müssen im neuen Jahr Mädchen und Jungen an vielen verschiedenen Orten erreichten. Sie brauchen Hilfe, die genau auf ihre Situation angepasst ist. Und die zehn Krisen, die hier genannt werden, sind nur ein kleiner Ausschnitt. In unserem weltweiten Nothilfe-Aufruf für 2020 nehmen wir von UNICEF uns vor, 59 Millionen Kinder in 64 Ländern mit Hilfsprogrammen zu erreichen. Dafür werden 4,2 Milliarden US-Dollar nötig sein – dreieinhalb Mal so viele finanzielle Mittel wie noch vor zehn Jahren.

Wie planen wir, diese Mittel konkret einzusetzen? Neben der Unterstützung für Kinder in den hier genannten Krisengebieten haben wir uns weitere Ziele vorgenommen, die wir bereits Anfang Dezember veröffentlicht haben. Hier können Sie sie noch einmal nachlesen.

Darüber hinaus bereiten wir uns wie jedes Jahr darauf vor, flexibel auf unvorhergesehene Situationen wie Naturkatastrophen und neue oder wieder aufflammende Konflikte zu reagieren. Wenn Sie uns dabei unterstützen möchten, können Sie das am besten mit einer Patenschaft tun. Denn als UNICEF-Patin oder UNICEF-Pate ermöglichen Sie verlässliche Hilfe immer für diejenigen Mädchen und Jungen, die sie aktuell am dringendsten brauchen. Hier erfahren Sie mehr.

Sandra Bulling, Deutsches Komitee für UNICEF
Autor*in Sandra Bulling

Sandra Bulling leitet die Abteilung Programmkommunikation und bloggt über Themen der internationalen Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit.